Die EU-Kommission will Engpässe bei der Versorgung mit Medikamenten sowie hohe Preise für Arzneimittel angehen. Dafür legt die Brüsseler Behörde am Mittwoch einen Reformvorschlag für die Pharma-Gesetzgebung in der Europäischen Union vor. Dieser war auf Druck der Pharmaindustrie mehrmals verschoben worden.
Entstanden war die Idee während der Covid-19-Pandemie, als die EU ein gemeinsames Handeln der 27 Regierungen sicherstellte. Ursprünglich angekündigt war das Paket für Mitte März. Nun dürfte es sich um die weitreichendste Reform seit zwei Jahrzehnten handeln. Die aktuelle Gesetzgebung stammt aus den frühen 2000er-Jahren.
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sagte jüngst, es brauche ein System, “das mit dem wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt Schritt halten kann und die Verfügbarkeit, den Zugang und die Erschwinglichkeit von Arzneimitteln jederzeit gewährleistet”.
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Gemeinsames Handeln
Die Kommission will dafür sorgen, dass Medikamente in Zukunft zeitgleich in allen 27 EU-Staaten auf den Markt kommen. Zugleich will die Behörde von Ursula von der Leyen Empfehlungen gegen Antibiotikaresistenzen vorlegen. Sie sollen nach Schätzungen der EU-Gesundheitsbehörde ECDC für den Tod von mehr als 35.000 Menschen jährlich in der EU verantwortlich sein. Weltweit sterben daran jährlich 1,3 Millionen Menschen, so die Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Wie das Handelsblatt berichtete, sollen Antibiotika künftig einerseits zurückhaltender eingesetzt und Warnungen prominent auf den Packungen platziert werden. Auch soll jedes Land einen nationalen Aktionsplan beschließen, wie man den Einsatz von Antibiotika begrenzen kann. Andererseits soll die Entwicklung neuer Antibiotika in der EU gefördert werden. Wer ein neues Antibiotikum entwickelt, soll künftig ein zusätzliches Jahr an Marktschutz für ein anderes Produkt bekommen.
Gross Skepsis
Laut EU-Gesundheitskommissarin Kyriakides sollen in der Reform auch mehrere Maßnahmen zur Bekämpfung von Medikamentenengpässe erhalten sein, etwa Präventionspläne und rechtzeitige Meldungen vonseiten der Hersteller. Außerdem soll erreicht werden, dass Medikamente für alle EU-Bürgerinnen und -Bürger zugänglicher werden.
Ein Weg, um das zu ermöglichen, sollen Verkürzungen bei der Marktexklusivität sein, also dem Schutz der Originalmedikamente vor billigeren Nachahmermedikamenten, sogenannten Generika. Das soll der Pharmaindustrie Anreize zu Geschäften mit weniger lukrativen EU-Staaten bieten.Denn aktuell herrscht in der EU ein großes Ungleichgewicht bei der Verfügbarkeit neuer Arzneimittel. Kleinere Staaten und jene mit schwächerer Wirtschaftskraft sind schlechter gestellt als große, kaufkräftige Staaten.
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Die Skepsis vor der Präsentation der Reform am Mittwoch ist groß. Der Europäische Verbraucherverband würde zwar schwächere Schutzrechte begrüßen. Die Pharmaindustrie ist jedoch dagegen, da Europa damit als Forschungsstandort unattraktiver würde. In der Folge würde auch die Versorgung der Patienten in Europa verschlechtert. Bisher haben Hersteller in der Regel zehn Jahre Schutz vor günstigeren Nachahmern. Ein weiteres Jahr Marktschutz kommt hinzu, wenn der Erstzulassung eine neue zu behandelnde Erkrankung hinzugefügt wird.
Laut dem ersten Entwurf der Reform der im Jänner bekannt wurde, sollte die Schutzzeit von normalerweise zehn Jahren auf maximal acht Jahre verkürzt werden, wenn das Unternehmen sein innovatives Medikament nicht zeitgleich in allen 27 Mitgliedsstaaten einführt. Laut dem Handelsblatt sind im aktuellen Entwurf noch keine konkreten Zahlen diesbezüglich. Sie sollen am Mittwoch bekannt gegeben werden.
Deutschland wehrt sich
Wie die Financial Times berichtete, haben sich auch Deutschland und mehrere kleinere Mitgliedsstaaten in letzter Minute gegen die Reform der EU-Pharmagesetzgebung gewehrt. Berlin warnte davor, dass sie den Investitionen der Pharmaindustrie schaden würde.
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Kolportiert wurde im Vorfeld noch eine Reihe weiterer Maßnahmen. Die Nachrichtenagentur Portal berichtete Anfang April etwa über einen Entwurf der Reform, laut dem Hersteller bei einem Zulassungsantrag verpflichtet werden könnten, die Kosten für Forschung und Entwicklung sowie die öffentlichen Mittel, die sie für ein neues Medikament erhalten haben, offen sizuegenungs diegenungs wenn bentgen, .
Verbrauchergruppen werfen Pharmaunternehmen vor, bei ihren Kosten zu übertreiben, um hohe Arzneimittelpreise zu rechtfertigen. Sie begrüßen daher den Vorschlag.